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  • Autor: Hans Jakob
  • Wann : 6 Juni 2021
  • Über : Der 4. Einsatz in Goma, Juli 2017

Der 4. Einsatz in Goma, Juli 2017

Unser Team von 2016 drängte mich, es auch im Juli 2017 wieder nach Goma zu begleiten. Die Millionen-Stadt am Kivu-See im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC) hat im letzten Jahr dank eines weitreichenden Straßenbaus durch die Chinesen und Solar-Beleuchtung der Straßen durch Deutschland einen gewaltigen Sprung zu einem Wirtschafts-Zentrum gemacht. Wer glaubt, dass Millionenstädte in China überfüllt sind, sollte einmal durch Goma fahren!
Am 2. Juli 2017 standen wieder ca. 400 Patienten aus allen Teilen des Nord-Kivu vor dem kleinen CEDIGO-Hospital in Goma, darunter auffällig viele große Gesichts- und Halstumore, meist Burkitt´Lymphome, Ameloblastome und Sarkome, Kröpfe, wenig Verbrennungs-Kontrakturen, und diesmal keine Spalten. Leider hatten wir wenig Einfluß auf die Auswahl der jeweils 20 Patienten, die in den folgenden 8 OP-Tagen immer schon HIV-getestet und umgezogen vor dem Operationssaal saßen.
Da ich die beiden jungen Chirurginnen des letzten Jahres Dr. Harmonie Mitila aus Kinshasa und Dr. Emilie Amisi aus Bukavo wieder eingeladen hatte, konnten unser Team um Christoph Sachs aus Berlin, Katja Kassem aus Donaueschingen und dem Anästhesisten Carsten Schröder an 2 OP-Tischen werken und die beiden Einheimischen auf einem Bett mit jeweils zwei Patienten Tumore und Keloide in Lokaler operieren.
Zudem war mein Enkel Johannes Schierle, Medizinstudent in Groningen, mit von der Partie, der im OP kräftig mithalf und für seine Bachelor-Arbeit herausfinden sollte, welche Keloide in Afrika ohne anschließende TRIAM-Injektionen operativ entfernt werden können. Dem Arzt der Kirche-des-Nazarener in Goma, Dr. Eric Kitoga, hatten wir eine Impfpistole mit 200 Ampullen TRIAM mitgebracht und ihn angewiesen, alle Keloide und deren postoperativen Narben zu fotografieren und gegebenenfalls mit TRIAM zu behandeln.
Am Samstag operierten wir wieder im Rot-Kreuz-Hospital in Goma, wo wir drei Dekubiti eines Jungen mit lokalen Lappen deckten, und zwei jungen Männern den abgeschossenen vorderen Unterkiefer mit Beckenkamm und Osteosynthese-Platte rekonstruierten. Erstaunlicherweise sah ich in Goma bereits sechs junge Männer, denen allen der Unterkiefer von unten her durchschossen wurde - ohne andere Verletzungen im Gesicht oder Thorax. Keiner sagte die Wahrheit über diesen Schuss: Strafe oder Erpressung? Das erinnerte mich an Tansania, wo ich einst einem Banker das angeblich bei einem Unfall abgetrennte rechte Ohr aus Rippenknorpel recht und schlecht (nach Pitanguy) rekonstruierte - und drei Tage später fünf weitere junge Männer mit fehlendem rechten Ohr im Hospital erschienen. Von einer OP-Schwester erfuhr ich, dass dies in manchen Gegenden Tansanias noch immer die Strafe für schweren Diebstahl ist.
Insgesamt haben wir zu fünft an acht Operationstagen 207 Patienten von ihren mehr oder weniger belastenden Tumoren oder Kontrakturen befreit, wobei wir wahrscheinlich sechs Patienten mit großen Sarkomen das Leben retteten. Unser Anästhesist versuchte unter schwierigsten Überwachungs-Bedingungen dem lokalen Anästhesie-Pfleger die Grundbegriffe der modernen Anästhesie beizubringen. Auch den beiden OP-Schwestern Synthia und Colette gebührt ein gewaltiges Lob, täglich 20 Instrumenten-Tische zu sterlisieren und herzurichten, und vier Chirurgen gleichzeitig zu bedienen! - wie auch den 2 Stationsschwestern und 4 Wäschern, die über Nacht alles wieder säuberten. Nach unserer Abreise operierte Dr. Kimona noch 20 Patienten mit riesigen, dort endemischen Strumen, die wir unoperiert nicht wieder in die Rebellengebiete zurücksenden konnten. Damit erhöht sich die Zahl der bei diesem Einsatz operierten Patienten auf 227.
Wir danken besonders dem Chef des Hospitals Dr. Jean Maganga für die zweiwöchige Überlassung seine Räume und seines Personals, Dr. Christophe Kimona, den Prof. Raimund Horch für sechs Wochen nach Erlangen eingeladen hatte, für die Operation der verbliebenen 20 großen Strumen aus dem Nord-Kivu, wo sich kein Arzt derzeit hintraut. Und natürlich Katja, Christoph und Carsten, die bei manchen blutigen Operationen und schlechter Beleuchtung die Nerven und den nötigen Humor nicht verloren. Herzlichsten Dank auch Pro-Interplast für die Finanzierung unserer Flüge und Hotelkosten. Sowie erneut den Firmen Catgut GmbH, Serag-Wiessner GmbH, Paul-Hartmann AG, Combustin GmbH, MIP Pharma GmbH, Novidion GmbH, pfm Medical AG, und der Apothekerin Sylvia Pöhlmann in Margetshöchheim und PD.Dr.Dr. Würzler für wertvollstes Op-Material.


Abb. 1a
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Abb. 1b

Rasant wachsendes Burkitt´Lymphom-Rezidiv von 2016 - und nach Resektion von Orbitaboden, Maxilla, Nasenwand und halbem Gaumen. Die linke Schädelbasis ist infiltriert; es gibt weder Bestrahlung noch Chemotherapie in Goma. Wir hoffen auf eine Chemo jenseits der Grenze in Ruanda. Ein Jahr später hatte der Tumor die ganze Augenhöhle infiltriert, sodass wir alle Wände bis zum freiliegenden Gehirn entfernen mussten. Das Gehirn wurde an einem breiten Streifen aus der Temporalfaszie wasserdicht aufgehängt.

Gottfried Lemperle