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  • Autor: Hans Jakob
  • Wann : 13. Feb. 2021
  • Über : Die 1. und 2. Interplast-Einsätze in Goma, Juli und Oktober 2015

Die 1. und 2. Interplast-Einsätze in Goma, Juli und Oktober 2015

„Kirche in Aktion“ glaubt nicht nur an die Macht des Gebetes, sondern auch an das Wirken Gottes durch sie in der Welt. Man muss nur seine Talente dort einsetzten, wo sie dringend gebraucht werden. Zwanzig junge Christen aus Frankfurt brachen vom 21. bis 31.7. 2015 nach Goma im Kongo auf, um dort Schulen zu bauen, ihnen Computer Labore einzurichten, und Erzieherinnen auszubilden. Mein Sohn Andreas, Architekt, lud mich zur Mitarbeit ein: Patienten und ein Hospital zu finden sei kein Problem. Thomas Biesgen aus Trier und Michaela Hladik aus Salzburg entschieden sich kurzfristig mitzufliegen. Leider erhielten wir innerhalb von 3 Wochen kein Visum vom Kongo für einen Anästhesisten.
Der Kongo ist das an Mineralien reichste Land Afrikas, steht aber auf dem „menschlichen Entwicklungs-Index“ aufgrund von Korruption und Bürgerkriegen weltweit an vorletzter Stelle (vor Niger). Goma ist die Grenzstadt zu Ruanda, in die 1994 500.000 Tutsis vor den Massakern der Hutus flüchteten. Ruanda schwimmt seither in Hilfsgeldern; in der Millionenstadt Goma gibt es eine einzige geteerte Strasse, kein fliessend Wasser und noch keine Landverbindung zur Hauptstadt Kinshasa. Seit die Rebellen 2013 Frieden mit der Regierung machten, ist es dort in den grossen Städten absolut sicher.
Wir landeten in Kigali, Ruanda und fuhren die 180 km auf der von Chinesen gebauten Superstrasse mit dem Bus nach Goma, malerisch am Kivu-See gelegen. Dort war 2002 der 20 km vom Zentrum entfernte Vulkan ausgebrochen und hatte den Norden der Stadt in Schutt und Asche gelegt. Die wohl schmutzigsten Strassen der Welt bestehen aus Lavabrocken und Asche, auf die sich nur die grossen SUVs der vielen Hilfsorganisationen und hunderttausende Motorräder aus Indien wagen.
Das kleine Hospital, das uns einlud, gehört einem Arzt Dr. Maganga, der über Radio spontan 450 Patienten mit plastischen Problemen anlockte. Nach gewaltigen Keloiden und Lymphödemen, die wir heimschicken mussten, blieben neben großen Tumoren vorwiegend Verbrennungskontrakturen und „frozen hands“, die wir in 5 OP-Tagen bei 35 Patienten mit grossen Z-Plastiken und Vollhaut-Transplantaten versorgten. Alle Z-Plastiken und Transplantate heilten gut ein. Thomas und Michaela operierten 3 Lippenspalten und einen Gaumen, bis wir diese wegen mangelndem Vertrauen in die einheimischen Anästhesisten (in ganz Afrika sind es Anästhesie-Helfer mit einer 3-jährigen Ausbildung) einem späteren Interplast-Team überlassen mussten.
Ein Chirurg eines anderen NGO-Hospitals hatte von uns gehört und holte uns zu zwei grauenhaft zugerichteten jungen Männern. Marodierende Soldaten waren zwei Wochen zuvor in ein Dorf weit im Norden von Goma eingedrungen und fragten die Bewohner unter Androhung von Folter, wer dort Gold gefunden habe. Einer deutete dann wohl unter Druck auf diese beiden Freunde. Als die beiden mehrmals verneinten, schnitten ihnen die Soldaten einen Finger nach dem anderen, dann die beiden Ohren, und als sie dann das Gold in deren Hütte fanden, auch noch die totale Ober und Unterlippe ab: „So werdet Ihr nie wieder lügen!“ ... Der Teufel ist täglich unter uns.

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Wir mussten das gesamte verbliebene Mittelgesicht bis zu den fehlenden Ohren mobilisieren und einen Visierlappen vom Hals hochschlagen, um wenigstens die freiliegende Gingiva zu bedecken. Ein Visierlappen von der Stirn hätte das beschädigte Gesicht noch weiter beeinträchtigt, aber ein geteilter freier Lappen vom Unterarm wäre wohl die bessere Wahl gewesen!
Bei einem 2. Einsatz vom 13. bis 22. Oktober 2015 mit Arthur Charpentier aus Bonn konnten wir die beiden Goldsucher ein zweiten Mal operieren und dem jüngeren die beiden Gesichtshälften noch weiter zur Mitte hinziehen. Ausserdem schafften wir es, in 5 Tagen weitere 50 Patienten mit riesigen Tumoren, Verbrennungskontrakturen und Schusswunden zu operieren. Alle heilten angeblich gut aus.
Wir danken herzlichst den Firmen Catgut GmbH, Novidion, Combustin, MPI-saar und Smith&Nephew für die spontan gespendeten grossen Mengen an Nahtmaterial, Staplern, Antibiotika, Lidocain und Verbandsmaterial. Und der Firma Erbe für 2 Erbotome! Und natürlich Pro-Interplast in Seligenstadt und Interplast-Germany für die immer gewährte finanzielle Unterstützung!

Gottfried Lemperle, Frankfurt
Arthur Charpentier, Bonn

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